Freitag 19. September 2025

Ein göttlicher Hauch von Hoffnung

Sozialpredigt zum 8. Juni 2025, Pfingstsonntag - Vorabend, Lesejahr C
Autor: Herbert Altmann

Ez 37,1-14

Link zum Foto, auf welches sich diese Sozialpredigt bezieht:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ezekiel22.jpg?uselang=de
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Knesset-Menora


Dieses eindrucksvolle Bronzerelief befindet sich auf dem siebenarmigen Leuchter (Menora), der vor dem Parlament (Knesset) Israels steht. Es ist ein Werk des deutsch-jüdischen Bildhauers Benno Elkan (1877 bis 1960), der 1935 vor den Nazis nach London floh. Sieben Jahre arbeitete er an diesem Lebenswerk. Es hat für Israel eine ähnliche symbolische Bedeutung wie die amerikanische Freiheitsstatue für die westliche Welt. Der Künstler stellt so ausdrücklich einen Bezug zur heutigen Zeit her. In der Gründung des Staates Israel realisiert sich diese Bibelstelle in der Gegenwart aufs Neue, so der Künstler. Nach dem Schrecken der Shoa, erwacht Israel zu neuem Leben. „Nicht durch Macht, nicht durch Kraft, allein durch meinen Geist!“ Dieses Prophetenwort (Sach. 4,6) auf den beiden äußeren Armen des Leuchters macht deutlich, dass der Künstler hier Gott selbst am Werk sieht.


Ich möchte im Folgenden versuchen, diese Bibelstelle für unsere Zeit und mit universellem Bezug zu aktualisieren und auf die globale Situation hin öffnen. Ich glaube, diese Vision hat Potential auf die ganze Menschheit hin gedeutet zu werden. Anhaltspunkte dafür finden sich schon im überlieferten Text, wie sich noch zeigen wird. Es ist eine der großartigsten Visionen im Alten Testament und überhaupt in der Religionsgeschichte. Ein schier atemberaubendes Hoffnungsbild, auf das wir nun wirklich nicht verzichten sollten. Die Vision des Ezechiel-Buches, setzt ziemlich unvermittelt ein. Dem Propheten wird eine „Super-Vision“ im wahrsten Sinn des Wortes zuteil. Durch Gottes Geist wird ihm ein „Gesamtüberblick“ (eine tiefe Einsicht/ein Perspektivenwechsel) über die Lage des Gottesvolkes ermöglicht.
Diese Bestandsaufnahme ist sehr ernüchternd, wenn nicht erschütternd. Wohin man auch blickt, nichts als Tod ist zu sehen. Hoffnungslosigkeit weit und breit ist das traurige Resümee. Ursache dafür ist die Trennung, das Abgeschnittensein von Gott, der Quelle und Ursprung allen Lebens ist.
Der Text lässt offen, wo diese Ebene „voll von Gebeinen“ ist. Er beschreibt sie als Ebene voller ausgetrockneter Knochen und damit als Ort absoluter Resignation. Das macht die Vision offen für Aktualisierungen auf heutige Täler des Todes hin:

  • Gaza, Ukraine, Südsudan, … die Zahl der bewaffneten Konflikte nimmt weltweit zu 
  • damit wächst auch die Zahl der Geflüchteten und Vertriebenen 
  • Dürren, Überflutungen vernichten Ernten und der Hungertod wird vielerorts zur realen Bedrohung.
  • weltweites Artensterben, brennende Wälder, steigende Meeresspiegel, ...
  • die Klimakrise macht ganze Länder und Regionen unbewohnbar
  • Energiekrise, Finanzkrise, Welthandelskrise, … auf politischer Ebene 
  • Beziehungskrisen, Sinnkrisen, Gesundheitskrisen, Burnout, … auf der persönlichen Ebene

Man könnte diese Liste noch lange fortführen. Kurz: Die Lebensumstände vieler Menschen ähneln einem Leben in dieser Ebene des Todes. Angesichts der vielfältigen Krisen, die sich wechselseitig bedingen, kann man durchaus von einer „permanenten Megakrise“ sprechen. Wenn sich nichts ändert, das sagen uns die wissenschaftlichen Daten und Fakten, wird sich das Leben auf dieser Erde schon in naher Zukunft dramatisch ändern. Insofern ist die Frage Gottes an Ezechiel hochaktuell: „Menschensohn (-tochter) können diese Gebeine wieder lebendig werden?“In heutiger Sprache: Gibt es noch Hoffnung auf eine gute Zukunft für alle Menschen?


Einer der an dieser Hoffnung festhielt, war Papst Franziskus. Nicht zufällig trägt seine Autobiographie den Titel „Hoffe“! Dass es aber dafür einen grundlegenden Paradigmenwechsel braucht, ist in seiner zu Pfingsten 2015 veröffentlichten Enzyklika „Laudato si“ nachzulesen. Franziskus ruft darin zur Umkehr und zum Umdenken auf.


Als zentrale Ursache der globalen Krisen sieht er „das technokratische Paradigma“ an. Es geht dabei um das Bild von einem autonomen, allmächtigen, unbegrenzten Menschen, der seine Interessen der Natur mit Macht und Gewalt aufzwingt. Der von seiner Mit- und Umwelt entfremdete Mensch hat keine Beziehung, kein Gespür, keine Sensibilität für das von ihm erzeugte Leid/Not. Diese sind Kollateralschäden, die er für die Durchsetzung seiner Interessen in Kauf nimmt. Wenn es sein muss, geht er dafür sogar über Leichen, wie es die Kriege beweisen. Er ist gleichsam selbst zum bleichen Skelett, zum kalten Bürokraten, zum todbringenden Technokraten geworden. Diese Analyse deckt sich 1:1 mit der Vision des Propheten Ezechiel!


Eine jüdische Tradition besagt, dass diese Gebeine nicht wirkliche Tote waren sondern spirituell Tote. Nur mit dem Geist Gottes können sie wieder im wahren Sinn lebendig werden und erkennen dass Gott selbst sie neu beleben will. Genau darum geht es auch Papst Franziskus. Wir, die Lebenden brauchen dringend einen „Geisteswandel“ damit die Hoffnung im wahrsten Sinn des Wortes „Fleisch und Blut“ bzw. „Hand und Fuß“ bekommt. Damit eine Hoffnungsbewegung entsteht.


Ich kann hier nur ein paar Stichworte nennen wie so eine „Wiederbelebung“ im Sinn von Franziskus aussehen kann:

  • Der Mensch muss sich wieder als Teil der Schöpfung sehen lernen. Er steht nicht über ihr, ist nicht ihr Beherrscher, der sie nach Belieben ausbeuten darf.
  • Geschöpfe wie Pflanzen, Tiere, Landschaftsbiotope haben einen Eigenwert in sich, den es zu respektieren und zu schützen gilt.
  • Es braucht eine neue Achtsamkeit, einen respektvollen Umgang miteinander.
  • Eigeninteressen sind dem Gemeinwohl stets untergeordnet.
  • Pflege des Staunens über die Schönheit der Natur und Ehrfurcht vor ihrer Heiligkeit
  • Haltung der Barmherzigkeit und mit den Leidenden aller Art
  • Solidarität mit den nachfolgenden Generationen
  • Dialoge auf Augenhöhe zwischen Politiker:innen und unter den Religionen
  • gelebte Synodalität innerhalb der Kirche und Ende jedes Klerikalismus
  • eine neue ökologische und ganzheitliche Wirtschaftsordnung

Papst Franziskus war/ist ein unermüdlicher „Pilger der Hoffnung“, der uns einlädt ihm auf diesem Weg zu folgen. Viele Schritte liegen noch vor uns.
Viele Menschen aus allen Himmelsrichtungen und allen Kontinenten lassen sich von seinen Anregungen inspirieren. Sie sind – um im Bild von Ezechiel zu bleiben – die Sehnen und das Fleisch aus denen sich eine neue Menschheit zusammenfügt. Der Geist Gottes weht auch heute durch unsere Welt. Er haucht uns auch jetzt immer wieder neu an, damit wir gemeinsam in Frieden und Gerechtigkeit und Harmonie mit der Schöpfung, den Anbruch des Reiches Gottes füreinander erfahrbar machen. Die Vision Ezechiels behält ihre Bedeutung über die Zeiten hinweg. Es ist eine Vision mit einer weiterführenden Kraft. Sie kann ihr Hoffnungspotenzial in unzähligen anderen Situationen entfalten.


Lassen wir uns von Gott aus unseren Gräbern herausholen, um gemeinsam diese Erde zu einem fruchtbaren Ackerboden für alle zu machen. Wird es gelingen? Mit Ezechiel hoffen und sagen wir: GOTT und Herr, du weißt es. Amen.

 

Download: Sozialpredigt

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